Der Verkehrsclub Deutschland, Landesverband Nord e. V. hat uns Fragen zur Mobilität gesendet. Nachstehend unsere Antworten darauf.
Motorisierter Individualverkehr
Wenn es gesetzlich zulässig wäre, dass die Kommunalpolitik über Tempo 30 innerorts flächendeckend entscheidet, wie würde Ihre Partei dazu abstimmen?
Unsere Wähler*innengemeinschaft würde dies begrüßen und sich aktiv dafür einsetzen. Studien zeigen, dass das Sterberisiko bei Zusammenstößen im Vergleich zu Tempo 50 um 70 % sinkt. Tempo 30 im gesamten Stadtgebiet steigert also die Sicherheit der Verkehrsteilnehmenden und verringert die Anzahl der Schwerverletzen bzw. Verkehrstoten in Flensburg. Außerdem sinkt so die Lärmbelastung und der Verkehrsfluss verbessert sich, was die Lebensqualität in der gesamten Stadt erhöht.
Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV)
Aktivbus ist eine 100-prozentige Tochter der Stadtwerke Flensburg. Die Stadtwerke Flensburg sind wiederum eine 100-prozentige Tochter der Stadt Flensburg. Eine sofortige Verbesserung des ÖPNV durch die Kommunalpolitik erscheint hier naheliegend. Glauben Sie, dass kostenloser Busverkehr für alle Bürgerinnen und Bürger der Stadt Flensburg die Verkehrswende voranbringen könnte?
Grundsätzlich ja. Die Möglichkeit „einfach mal eben in den Bus zu springen“ würde sicherlich viele dazu bewegen das Auto stehen zu lassen, oder sich gar komplett vom eigenen PKW und den damit verbundenen Verpflichtungen zu befreien. Besonders mobilitätseingeschränkte Menschen würden profitieren. Zudem wird durch einen kostenfreien ÖPNV viel finanzieller Aufwand eingespart, weshalb er am Ende des Tages gar nicht so utopisch ist. Denn Kosten für den Fahrscheindruck, die Automaten, der Verwaltungsaufwand für die unterschiedlichsten Fahrkarten, etc. sowie die Kontrollen entfallen. Die Busfahrenden wären vom Service entlastet und die Taktzeiten könnten verdichtet werden. Langfristig spricht somit viel für den kostenfreien ÖPNV – und wir möchten dieses Ziel grundsätzlich unterstützen.
Der Weg zum kostenfreien ÖPNV ist jedoch teuer und lang. Mit Ach und Krach ist es in der vergangenen Wahlperiode gelungen, das Sozialticket einzuführen. Gescheitert sind das Kurzstreckenticket und der kostenfreie Schülerverkehr. Gleichzeitig sind Einzelkarten in seit Herbst 2021 rund 26 % teurer geworden – das ist für den Klimaschutz und vor allem die Teilhabe aller Menschen an Mobilität das falsche Signal! Der Weg zum kostenfreien ÖPNV könnte zunächst über die schrittweise, deutliche Reduzierung der Preise für alle führen. Die Stadt Templin hat es vorgemacht: Dort kostet ein Jahresticket 44 Euro, die Fahrgastzahlen haben sich seit Einführung des Tickets verfünffacht und somit den öffentlichen Raum spürbar entlastet. Ein vergleichbares Angebot zu schaffen, sollte in der kommenden Wahlperiode das unbedingte Ziel aller Fraktionen der Ratsversammlung sein. Hierfür würden wir gerne eine Initiative einbringen. Parallel müssen Taktzeiten verkürzt und zusätzliche Angebote eingeführt werden, damit der ÖPNV attraktiver wird und die Verkehrswende vorankommt.
Fußverkehr
In den Jahren 2021 bis 2023 war Flensburg Modellstadt im Projekt „Gut gehen lassen“ vom Fachverband Fußverkehr Deutschland (FUSS e.V.). Hierbei wurde unter anderem festgestellt, dass der Fußverkehr bei der Verkehrsplanung noch nicht ausreichend berücksichtigt wird. Wie werden Sie sich dafür einsetzen, dass der Fußverkehr in Flensburg nachhaltig verbessert wird?
Viele Fußwegeverbindungen, insbesondere an den großen Kreuzungen, gilt es zu verbessern. Über den Neumarkt oder den Burgplatz an sein Ziel zu kommen, geht nur mit großen Umwegen, um nur zwei von zahllosen Beispielen in Flensburg zu nennen. Der diese Woche im SUPA vorgestellte Projektbericht listet konkrete Handlungsempfehlungen in einem begrenzten Untersuchungsgebiet auf, deren Umsetzung wir unterstützen. Sie beheben aber größtenteils nur die Symptome, denen eine zu auto-zentrierte Stadtentwicklung der letzten Jahrzehnte vorangegangen ist.
Der FUSS e.V. hat in seiner Broschüre vom Dezember 2022 eine Vielzahl von Maßnahmen fundiert herausgearbeitet, z.B. die deutlichere Trennung von Rad- und Fußverkehr, konfliktfreie Ampelschaltungen, breitere & barrierefreie Gehwege – um nur einige zu nennen. Wir wollen uns dafür einsetzen, dass derlei Aspekte sicheren Fußverkehrs in verbindliche Vorgaben bei der Stadtplanung überführt werden.
Anstatt wie im Masterplan Mobilität viele Einzelmaßnahmen zu betrachten (deren Umsetzung im Übrigen allenfalls schleppend vorankommt) bedarf es ganzheitlicher Rahmenbedingungen und Mindeststandards, wie eine Stadt attraktiv für alle Verkehrsteilnehmenden zu entwickeln ist. Bei der Ermittlung zukünftiger Verbesserungen sollten darüber hinaus die betroffenen Bürger*innen direkt gehört und in Planungen mit einbezogen werden. So kann letztendlich auch ein entscheidender Beitrag zur langfristigen Steigerung der Aufenthalts- und Lebensqualität in Flensburg gelingen.
Radverkehr
In der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) steht, dass beim Überholen mit Kraftfahrzeugen von Rad Fahrenden mindestens ein Abstand 1,5 m einzuhalten ist. So ist dies auch in Flensburg ausgeschildert z.B. in der Fördestraße. Wie wird Ihre Partei dafür sorgen, dass dies auch eingehalten wird und somit sichergestellt wird, dass Radfahrende sicher am Verkehr teilnehmen können?
Dies ist bedauerlicherweise ein leidiges Thema, das unsere Meinung nach nur durch eine Vielzahl von Maßnahmen dauerhaft verbessert werden kann. Genauso wie beim Fußverkehr, müssen hier langfristig Fahrradstreifen verbreitert und nach Möglichkeit baulich klar getrennt von anderen Verkehrsarten geführt werden, um Rad- und Fußverkehr besser zu schützen. Das darf aber grundsätzlich nicht auf Kosten des Stadtgrüns geschehen. Vielmehr muss sich die Verkehrsplanung damit beschäftigen den vorhandenen Verkehrsraum gerechter aufzuteilen, was zu klugen Einbahnstraßenregelungen führen kann und eine ganze Fahrbahnbreite für den Radverkehr freimacht.
Auch die Einrichtung von gut vernetzten Fahrradstraßen muss mitgedacht werden. Darüber hinaus wünschen wir uns die Einrichtung sog. Shared Spaces, in denen alle Verkehrsarten gleichberechtigt und rücksichtsvoll nebeneinander koexistieren. Denn unsere Straßen gehören schließlich allen gleichermaßen!
Die Unterschreitung des Sicherheitsabstandes von mind. 1,5m (bei Mitführung von Kindern mind. 2m) ist indes niemals ein „Kavaliersdelikt“, sondern sie muss als fahrlässige Gefährdung von Verkehrteilnehmenden ohne Knautschzone verstanden werden – weshalb bei Verstößen nicht umsonst Bußgelder und sogar Punkte vorgesehen sind. Durch noch prominentere Beschilderung sowie Informationskampagnen seitens der Verwaltung muss das Unrechts- und Risikobewusstsein der Autofahrenden für diese Situationen weiter gestärkt werden, wo ausreichend geschützte Fahrradwege nicht möglich bzw. vielmehr noch nicht umgesetzt sind.
Die Einführung einer umfassenden Tempo-30-Regelung würde dabei in Verbindung mit gerechter Verkehrsraumaufteilung dazu führen, dass der MIV sich auf die Tangenten konzentriert, sowie die gesamte Innenstadt entlastet und ebenfalls für alle Verkehrsteilnehmenden sicherer wird.
Links:
https://nord.vcd.org/der-vcd-nord/ortsgruppe-flensburg